Nationalismus und Kultur
Von Rudolf Rocker. Hrsg., Übersetzung des italienischen Prologs von 1958, Nachwort und Bibliographie von Heiner M. Becker
Münster: Bibliothek Thélème, 1999. 672 Seiten, gebunden. ISBN 978-3930819232. Eingeschweißtes Neu-Exemplar - beim Verlag vergriffen!
Beschreibung:
Beinahe zwanzig Jahre war das hier wieder vorgelegte Buch vergriffen, ein Buch, das bei seinem ersten Erscheinen von so verschiedenen Menschen wie Albert Einstein und Thomas Mann, Bertrand Russell und Lewis Mumford begrüßt wurde.
Thomas Mann war «durchdrungen von der Wichtigkeit des Daseins eines solchen Buches, das durch seine grossen Eigenschaften ein Gegengewicht bilden kann gegen die heute mit so gefährlicher Intensität propagierten Irrlehren» und wünschte, «dass es in viele Hände all über die Welt hin gelangt».
Albert Einstein erklärte, daß er «mit der Grund-Tendenz einer rein negativen Bewertung der Funktionen des Staates (...) allerdings nicht einverstanden» sei, es dennoch «ausserordentlich originell und aufklärend» fände und für «bedeutend und aufklärend» hielte.
Bertrand Russell schließlich (der wenig später in seinem Buch «Macht» einige Rockers Buch ähnelnde Gedankengänge entwickelt) sah in ihm einen «wichtigen Beitrag zur politischen Philosophie», und zwar «sowohl wegen seiner konsequenten und ungemein informativen Analyse vieler bekannter Autoren, als auch wegen seiner brillianten Kritik der Staatsverehrung, des vorherrschenden und gefährlichsten Aberglaubens unserer Zeit», und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß es «in den Ländern, in denen unvoreingenommenes Denken noch nicht illegal ist, viele Leser finden» wird.
(Heiner M. Becker in seinem Nachwort zu Autor und Werk)
Vorwort des Autors zur ersten deutschen Ausgabe [7]
I. Die Unzulänglichkeit aller Geschichtsauffassungen [13]
II. Religion und Politik [33]
III. Der Kampf zwischen Kirche und Staat [53]
IV. Machtpolitik und Kultur [69]
V. Die Entstehung des nationalen Staates [81]
VI. Die Reformation und der neue Staat [93]
VII. Politischer Absolutismus als Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung [107]
VIII. Die Lehre vom sozialen Kontrakt [119]
IX. Liberale Ideen in Europa und Amerika [137]
X. Liberalismus und Demokratie [153]
XI. Der Staat im Lichte der deutschen Philosophie [177]
XII. Die Demokratie und der nationale Staat [193]
XIII. Die Romantik und der Nationalismus [207]
XIV. Sozialismus und Staat [223]
XV. Der Nationalismus als politische Religion [235]
XVI. Die Nation als Gemeinschaft von Sitte, Gewohnheit und gleichen Interessen [253]
XVII. Die Nation als Sprachgemeinschaft [271]
XVIII. Die Nation im Lichte der modernen Rassentheorien [293]
XIX. Politische Einheit und kulturelle Entwicklung [335]
XX. Politische Dezentralisation in Griechenland [347]
XXI. Der römische Zentralismus und sein Einfluss auf die Gestaltung Europas [371]
XXII. Die nationale Einheit und der Verfall der Kultur [403]
XXIII. Die Illusion nationaler Kulturbegriffe [431]
XXIV. Der Nationalismus und die Entwicklung des wissenschaftlichen und philosophischen Denkens [447]
XXV. Architektur und Nationalität [467]
XXVI. Kunst und Nationalismus [491]
XXVII. Soziale Probleme unserer Zeit [511]
Nachwort des Autors zur zweiten amerikanischen Ausgabe [531]
Vorwort des Autors zur italienischen Übersetzung [549]
ANHANG:
- Bibliographie [575]
- Auskunft über Autor und Werk [601]
- Werkbibliographie Rudolf Rocker [613]
- Register [647]
"Ich finde das Buch außerordentlich originell und aufklärend. Es werden in demselben viele Tatsachen und Zusammenhänge in neuartiger Weise überzeugend beleuchtet."
Albert Einstein
Mit diesem Werk legt Rudolf Rocker der deutschen Öffentlichkeit eine umfassende Arbeit von außerordentlichem soziologischen Wert vor. Die von Rocker angestellten Untersuchungen sprengen den Rahmen einer bloßen literarischen Betrachtung der Zusammenhänge zwischen dem Nationalismus und der Kultur. Sie werden bei Rocker zu Fragen des Grundsatzes und der Gesinnung und erhöhen damit den Wert des Werkes noch erheblich. In unserer Zeit wirken diese Bände als wären sie ihr auf den Leib geschrieben. Ohne jede trockene Theorie, mit feinem Einfühlungsvermögen in den umfangreichen Stoff geschrieben, haben sie nicht nur einen hohen sozialwissenschaftlichen und kulturpolitischen Wert, sondern, was noch bedeutungsvoller ist, sie haben in dieser Zeit der Entscheidungen einen geradezu enormen aktuellen Wert. (...)
Zwei Bände freiheitlicher Geschichtsbetrachtung liegen vor uns. Sie sind eine Fundgrube für die Resultate geistiger Entwicklung, Männern, die in Vergessenheit geraten sind, gibt Rocker mit diesem Werk ihre geistige Bedeutung zurück. Für den freiheitlichen Sozialismus sind diese Bände ein Standardwerk. Mit ihrer Hilfe wird es in der Zukunft leichter sein, Standortbestimmungen der sozialen Entwicklung zu treffen.
Ganz vorzüglich die Sprache und die Darstellungsart, die schwierige geistige, politische, soziale und kulturelle Probleme auch dem weniger Belesenen, dem einfachen Manne, verständlich macht.
Ein echter Rocker
Fritz Linow /Die Freie Gesellschaft, Jg.1 (1950), H.3 (zur Erstausgabe des Buches)
"Rudolf Rocker (geb. 1873 in Mainz, gest. 1958 in New York), der letzte „ernsthafte politische Denker“, wie ihn Noam Chomsky bezeichnete, verbrachte den größte Teil seines Lebens, 1892 bis 1919 und von 1933 bis zu seinem Tode im Exil, in Frankreich, in Großbritannien und in den USA. Sein Hauptwerk „Nationalismus und Kultur“, zuerst 1929 in der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde angekündigt, konnte in Deutschland nicht mehr erscheinen, Rocker rettete das Manuskript in die Vereinigten Staaten, wo 1937 eine englische Übersetzung erscheinen konnte. Es folgten weitere Übersetzungen in verschiedene Sprachen, in Deutschland erschien das Buch erst nach den Zweiten Weltkrieg. Bertrand Russel lobte den Inhalt als einen „wichtigen Beitrag zur politischen Philosophie“. (...)I
In jedem Kapitel des umfangreichen Werkes greift Rocker in den großen Fundus seines theoretischen und historischen Wissens, wobei er die Herausbildung des Staates, des nationalen Denkens und der kulturellen Elemente der Moderne in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. In Ideengeschichtlichen Exkursen behandelt er Liberalismus, Romantik, Demokratie, Sozialismus und Nationalismus, wobei er mit verbreiteten Mythen gnadenlos abrechnet, etwa wenn er das Schlagwort von der „nationalen Solidarität“ als ideologisches Konstrukt entlarvt. In einer Zeit, in der ein irrationaler Nationalismus, gekoppelt mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit immer wieder aufflackert, kann die Neuausgabe einer Studie, die sich umfassend mit den gegebenen problematischen Phänomenen befaßt, nicht hoch genug gewürdigt werden."
Gerhard Senft/Erkenntnis (Wien), 9. JG., H. 2/3 (Winter 2002/03